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Schärfe

Ein stumpfes Messer erfüllt seinen Zweck nur bedingt, denn mit der sprichwörtlichen Schärfe steht und fällt die zentrale Eigenschaft des jahrtausendealten Werkzeugs. Und obwohl wahrscheinlich jeder eine klare Vorstellung von Schärfe hat, ist eine technisch belastbare Definition dennoch kaum zu finden.

Eine anerkannte Industrienorm existiert für Schärfe nur mit gleichzeitiger Bewertung der Eigenschaft der Schnitthaltigkeit (DIN EN ISO 8442-5 Schneidfähigkeit und Kantenbeständigkeit). Auch lässt sich immer wieder ein unterschiedliches, subjektives Empfinden der Schärfe bei verschiedenen Begutachtern feststellen. Schon allzu oft war der Satz „Das ist aber nicht sehr scharf!“ die Einleitung eines Zutage-Tretens größerer Mengen von Blut. Bei allen wichtigen Abhandlungen zu den Themen Stahl, Schliffarten, Schärfen, Ledern und Wetzen wird die Schärfe, die das Ziel all dieser Auseinandersetzungen und Bemühungen ist, nur selten behandelt. Eine einheitliche Vorstellung des Begriffs wird vorausgesetzt. Zu klären wären zum Verständnis aller weiterführenden Themen also zuerst die Fragen:  Was ist Schärfe? Von welchen Faktoren ist Schärfe abhängig? Wie lässt sich die Schärfe einer Schneide prüfen?  Was soll Schärfe leisten?

Im Folgenden wird das Phänomen Schärfe losgelöst vom Thema Schnitthaltigkeit – der Fähigkeit einer Schneide ihre Schärfe über einen bestimmten Zeitraum zu erhalten – betrachtet. Für die Schnitthaltigkeit sind komplizierte Wechselwirkungen zwischen Stahlqualität, Schliffwinkel, Schleifkörnung und Schneidgut relevant. Hier geht es jedoch nur um eine Definition und Beurteilung der Schärfe als Zustand an einem bestimmten Zeitpunkt. Was ist Schärfe? Schärfe ist die Fähigkeit einer Schneide Material mechanisch und kontrolliert zu trennen. Getrennt wird immer ein molekularer Zusammenhang. Nicht mechanisches und stoffliches Schneiden wäre beispielsweise das Schneiden mit einem Brennschneider, einem Plasmaschneider, das Laser- oder das Wasserstrahlschneiden.

Nicht kontrolliertes Trennen entspricht hingegen dem Reißen. Um zu versuchen, ein technisches Maß dafür heranzuziehen, wie scharf ein Messer überhaupt werden kann, eignet sich im Prinzip nur der Begriff des Abrissstumpfes. Der Abrissstumpf ist die quer zur Schneide gemessene Strecke im mikroskopischen Bereich - und zwar im rasterelektromikroskopischen Bereich – ab der eine Schneide nicht mehr schärfer ausgeschliffen werden kann. Wir stellen uns eine Schneide als Kante vor, im Querschnitt als eine Spitze. Unter dem Rasterelektronenmikroskop sieht eine Schneide jedoch eher aus wie ein Felsenkamm bzw. im Querschnitt wie ein Stumpf. Die Grenze der Schmalheit dieses Stumpfes ist durch die Feinheit des Stahlgefüges gegeben. Stahl hat eine kristalline Gitterstruktur, die aus Karbid- Nestern besteht. Die Schneide kann nicht schmaler werden als ein solches Karbid-Nest. Bei feinem Stahlgefüge und sorgfältigem Schliff kann die Breite des Abrissstumpfes unter einem Mikron (auch als Mikrometer bezeichnet und auch μm oder My geschrieben) liegen. Ein Mikron ist der millionste Teil eines Meters. Zum Vergleich hat ein durchschnittliches menschliches Haar ein Dicke von etwa 60 μm, ein Feinstaubteilchen maximal 10 μm.

Von welchen Faktoren ist Schärfe abhängig? Die Schärfe einer Schneide ist von drei Faktoren abhängig:  Winkel: Der Schleifwinkel wird von Messer- und Schleifmittelherstellern unterschiedlich angegeben, entweder als absoluter Winkel zwischen den beiden Seiten der Schneide (beispielsweise als 40°) oder als dessen Hälfte, dem Winkel zwischen dem Schleifmittel und der Mitte der Klinge (in diesem Beispiel 20°). Tendenziell gilt für diesen Einflussfaktor: Je flacher der Winkel, desto schärfer die Schneide. Körnung: Die Körnung oder kurz das Korn bezeichnet den Durchmesser des einzelnen Schleifkornes des Schleifmittels – in der Fertigungstechnik auch als abrasive Stoffe bezeichnet – mit der Klinge geschliffen wurde. Hier gilt tendenziell: Je feiner das Korn, desto schärfer die Schneide. Ein abschließendes Ledern der Schneide mit einer Schleifpaste (die ein extrem feines, rollendes Korn enthält und noch einmal minimal abträgt) oder einem unbehandelten Leder (das die Schneide ohne Abtrag noch einmal glättet), kann die Schärfe zusätzlich erhöhen. Gleichmäßigkeit: Der Faktor der Gleichmäßigkeit bezieht sich sowohl auf den Winkel als auch auf die Körnung. Der Winkel muss für Schärfe über die ganze Schneidenlänge gleichmäßig eingehalten werden. Das Schleifmittel muss für Schärfe eine homogene Struktur aufweisen. Basierend auf Erfahrungswerten des Herstellers können auch Mischungen von Korngrößen ein sehr gutes Ergebnis erzielen. Wichtig ist aber eine gleichmäßige Qualität und Verteilung der Schleifkörner, die zudem frei von Fremdeinschlüssen sein müssen.

Wie lässt sich die Schärfe einer Schneide prüfen? Ein zuverlässiger und verschleißarmer Test zur Ermittlung der Schärfe eines Messers ist es, die Schneide mit dem Eigengewicht locker auf den Daumennagel zu setzen. Dabei können durch zwei unterschiedliche aufeinander aufbauende Durchführungen unterschiedliche Eigenschaften abgeprüft werden: Beim Basistest setzt man die Klinge quer auf den schräg gehaltenen Daumennagel. Greift die Klinge sofort und rutscht nicht ab, ist sie scharf geschliffen. Rutscht sie ab, sollte das Messer noch einmal etwas steiler angesetzt werde. Wenn sie dann greift, ist die Klinge fein und gleichmäßig, aber in relativ steilem Winkel geschliffen. Die eigentliche Schneide hatte keinen Kontakt mit dem Horn des Nagels, sondern ist an der Übergangskante von der Schneide zur Klingenseite abgeglitten. Erst wenn die Klinge in jedem Ansatzwinkel abrutscht, ist sie stumpf. Der erweiterte Test ist oft bei erfahrenen Berufsschleifern zu beobachten, um Körnung und Gleichmäßigkeit des Schliffes zu prüfen. Hierbei wird die Schneide ohne Druck vertikal über die Spitze des Daumennagels gezogen. Auf diese Weise lassen sich Körnung und kleine Scharten sofort erspüren. Einige Erfahrung sowie ein ausreichend kräftiger und nicht zu kurz geschnittener Daumennagel sind hierbei allerdings Voraussetzung für eine verletzungsfreie Durchführung! Beides sind weitgehend verschleißfreie Verfahren zum Testen der Schärfe. Sie eignen sich allerdings nicht für Rasiermesser, da die sehr feine Schneide des Rasiermessers durch das Horn des Daumennagels bei aller Vorsicht beschädigt werden kann.

Obwohl die oben genannten Methoden zur Bestimmung der Schärfe einfach und ohne Hilfsmittel durchzuführen sind, überrascht es, dass Menschen Schärfe so unterschiedlich empfinden und zur Bewertung oftmals weniger gut geeignete Methoden anwenden. Häufig anzutreffen ist der Versuch, die Schärfe mit der Daumenkuppe zu prüfen. Schärfe lässt sich aber gerade bei einer feinkörnig und sauber gratfrei geschliffenen Klinge kaum ertasten. Eine gröbere Körnung oder ein Grat lassen sich dagegen ertasten und werden dann fälschlicherweise oft als schärfer angesehen. Ein weiteres prominentes Beispiel ist der Papierschnittest. Hier kann es vorkommen, dass die Klinge zwar sauber mit feinem Korn geschliffen wurde, aber einen zu steilen bzw. großen Schliffwinkel aufweist. Die Schneide wirkt dann wie ein Keil im harten Papier und verhindert das Eindringen ins Schnittgut. Mit derselben Klinge lassen sich die Haare vom Unterarm aber eventuell in einem Strich rasieren. Der Schnitttest in Papier sollte zudem schon deshalb vermieden werden, weil die Schneide gerade durch Papier stark in Mitleidenschaft gezogen wird.

Was soll Schärfe leisten? Die Anforderungen an eine Schneide können vielfältig sein, im Wesentlichen lassen sich die Arbeiten mit einer Schneide aber in zwei Kategorien unterteilen: Beim Druckschnitt wird die Klinge mit wenig Versatz in Längsrichtung durch das Schnittgut geschoben. Diese Art von Schnitten wird beispielsweise mit Rasiermessern oder mit Messern zur Lederbearbeitung (wie Sattler- oder Kürschnermessern) ausgeführt. Die Klingen müssen hierfür in flachem Winkel und mit sehr feinem Korn ausgeschliffen sein. Der Druckschnitt erfordert i.d.R. die höchste Schärfe entsprechend der oben genannten Faktoren. Beim Zugschnitt wird die Schneide wie der Name schon sagt dagegen ziehend durch das Schneidgut bewegt. Typische Beispiele für diese Art von Schnitt sind das Brotschneiden oder das Kappen eines dicken Taues. Hierbei ist eine mit gröberem Korn abgezogene Schneide, die eine gewissen Sägeeffekt aufweist, von Vorteil. Klingen, die ausschließlich für diese beiden Extrembeispiele vorgesehen sind, werden natürlich meist mit einem speziellen Wellenschliff versehen. Welcher Winkel und welche Körnung optimal ist, hängt aber nicht nur von der Verwendung und dem jeweiligen Schneidgut ab, sondern auch von den persönlichen Vorlieben. In Bezug auf die Körnung lässt sich ein Kochmesser beispielsweise auf einem Stein mit einer Körnung von 8.000 JIS und anschließendem Ledern mit wenig Übung auf sehr feine Schärfe bringen. In einer leichten Brotkruste oder einer reifen Tomate bevorzugen einige aber vielleicht die Schärfe eines schnellen Abzugs auf einem 400er-Stein. Mit der Kenntnis der physikalischen Zusammenhänge kann hoffentlich jeder sein eigenes Optimum finden. Viel Spaß mit Ihren scharfen Messern!

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